Ein Nachruf auf eine Floskel der Unternehmenssprache, die nie lebendig war. Und trotzdem nicht in Ruhe sterben kann.
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„Wir sollten auf jeden Fall sagen, dass wir innovativ sind", sagt der Kunde. Ich kriege eine Gänsehaut und denke: "Da ist er wieder – der Unwort-Zombie!" Seit über 20 Jahren höre ich das technoid-kalte Schlagwort in Briefings, lese es in Unternehmensdarstellungen und versuche, es Kunden auszureden. Dabei ist die 'Innovation' nur die Spitze des Eisbergs – eine von vielen Nebelkerzen, hinter denen sich Unternehmen verstecken, anstatt auf eine klare, verständliche und eigene Sprache zu setzen.
Klar, es ist schon praktisch, bei der Außendarstellung in die Floskelkiste greifen zu können. Innovation – klingt ja auch irgendwie professionell. Ups, noch eines: professionell! Das Problem: Nicht-bildhafte Fremdworte wie Innovation, Kompetenz, Professionalität werden branchenübergreifende inflationär benutzt. Je öfter ich sie als Konsument lese, umso weniger wirken sie. Auf einer tieferen Verständnisebene drohen sie sogar, in die gegenteilige Bedeutung zu kippen. Innovation? Klingt für mich nach Angepasstheit. Gleichheit. Langeweile.
Wie konnte es soweit kommen?
Arme Innovation! Tausende von Unternehmen haben dich sprachlich totgeritten – und das branchenübergreifend. Egal ob Banken, IT-Unternehmen, Shampoo-Produzenten oder Automobilhersteller. Alle sind sie innovativ. Mit einigen Ausnahmen. Bei einem Sportwagenhersteller aus Stuttgart beispielsweise, für den ich einige Zeit getextet habe, stand das Wort Innovation bzw. innovativ schon vor über 10 Jahren auf der schwarzen Liste der Unternehmenskommunikation. Er hat die "Me-too"-Falle erkannt. Gut so!
Und die Lösung? So schreiben, dass der Kunde den Nutzen versteht.
Wie sage ich nun, das ich innovativ bin, ohne innovativ zu nutzen? Die Lösung ist ein alter Hut und lautet: bildlich schreiben und Aussagen mit greifbaren Inhalten füllen! Zum Beispiel: „Unser Team hat mit einem neuen Ansatz das Problem XYZ gelöst.“ Oder: „Wir haben neue Ideen umgesetzt und unser Produkt XYZ weiterentwickelt.“ Dieser Workaround ist zwar nicht headlinefähig. Aber Fremdworte haben – meiner Ansicht nach – in Headlines sowie nichts verloren.
Noch besser: So schreiben, dass der Kunde genau versteht, welchen Nutzen ihm die Dienstleistung oder das Produkt bietet. "Die erste Fahrerkabine, die Sie vergessen lässt, dass Sie in einem LKW sitzen." Oder: „Mit unserem Drehmomentschlüssel können Sie sogar hämmern.“ Schon entsteht ein Bild in meinem Kopf und ich denke: „Wie praktisch, will ich haben!“ Vielleicht denke ich sogar: "Wie innovativ!" Pardon, die Innovation ist ja längst tot.
Es lebe die Innovation! Der Unternehmenssprache.
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